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Die Schlacht bei Aktium und – was nun?
Plutarch, Antonius, 62-67
Die
Schlacht
[Ausgabe : Plutarch, Antonius in Grosse
Griechen und Römer, eingeleitet und übersetzt von Konrat
Ziegler, Artemis Verlag, Band V, Zürich und Stuttgart, 1960]
"Aber dermassen war dieser nur ein Anhängsel der Frau, dass
er trotz seiner grossen Überlegenheit zu Lande Kleopatra zu Gefallen
den Wunsch hatte, dass die Entscheidung durch die Seemacht fallen
sollte, und dies obgleich er sah, dass wegen der unzureichenden Bemannung
der Schiffe von den Kapitänen aus dem „schon vielgeplagten“
Griechenland Wanderer, Eseltreiber, Schnitter und unreife Jünglinge
zusammengeholt und zum Dienst gepresst wurden, dass aber auch so die
Schiffe nicht voll bemannt wurden und grösstenteils unvollkommen
und schlecht manövrierten. Cäsar hingegen hatte eine nicht
aus protzig in die Höhe gebauten, sondern aus wendigen, schnellen
und vollbemannten Schiffen zusammengestellte und vorzüglich einexerzierte
Flotte in Tarent und Brundisium konzentriert und sandte nun zu Antonius
mit der Aufforderung, die Zeit nicht zu vertrödeln, sondern mit
seinen Streitkräften heranzukommen; er werde der Flotte unbehinderte
Ankerplätze und Häfen zur Verfügung stellen und sich
mit seinem Landheer von der Küste so weit zurückziehen,
wie ein Pferd an einem Tag laufen könne, bis er sicher gelandet
sei und sich gelagert habe. In Erwiderung dieser Prahlerei forderte
ihn Antonius zum Zweikampf heraus, obwohl er ja der Ältere sei,
und wenn er dem auswiche, schlug er vor, wollten sie mit ihren Heeren
bei Pharsalos wie dereinst Cäsar und Pompejus den Entscheidungskampf
führen. Nun gelang es Cäsar, vorweg, während Antonius
bei Aktion (dem Orte, wo jetzt die Stadt Nikopolis steht) vor Anker
lag, das Ionische Meer zu überqueren und und einen Platz in Epeiros,
der Toryne („Quirl“) heisst, zu besetzen. Als daraufhin
die Freunde des Antonius beunruhigt waren, weil die eigene Landmacht
noch im Rückstand war, sagte Kleopatra spottend: „Was ist
das denn Schlimmes, wenn Caesar auf dem Quirl sitzt?“
Als bei Tagesanbruch die Feinde heranfuhren, fürchtete Antonius,
sie könnten seine noch nicht mit Seesoldaten besetzten Schiffe
nehmen, und liess daher zum Schein die Rudermannschaften bewaffnet
auf den Verdecken Aufstellung nehmen, die Ruder liess er beiderseits
hochgenommen festbinden und die Schiffe mit Front gegen den Feind
in der Mündung des Meerbusens bei Aktion sich bereit halten,
als wären sie wohlberudert und abwehrbereit. Durch diese List
getäuscht, machte Cäsar kehrt. Auch hatte Antonius durch
kunstvolle Abdämmungen den Feinden das Wasser entzogen, das es
in der ganzen Gegend nur in geringer Menge und schlechter Qualität
gab. Grossmütig benahm er sich auch, entgegen der Meinung der
Kleopatra, gegen Domitius. Als der nämlich, schon fiebernd, in
ein kleines Boot gestiegen und zu Caesar übergegangen war, ärgerte
sich Antonius zwar, sandte ihm aber sein ganzes Gepäck samt seinen
Freunden und Dienern nach. Aber Domitius starb gleich nach seinem
Übertritt, anscheinend weil seine Treulosigkeit und sein Verrat
nicht verborgen geblieben war. Auch die Könige Amyntas und Deiotaros
gingen zu Caesar über.
Da nun die Flotte in allen Dingen Unglück hatte und jedesmal,
wo Hilfe nottat, zu spät kam, nötigte dies den Antonius,
sein Augenmerk wieder mehr auf das Landheer zu richten. Auch Canidius,
der Befehlshaber des Landheeres, änderte angesichts der Gefahr
seine Meinung und riet, Kleopatra nach Hause zu schicken, nach Thrakien
oder Makedonien zurückzugehen und dort zu Lande die Entscheidung
zu suchen. Es hatte nämlich auch Dikomes, der König der
Geten, mit einem grossen Heer zu Hilfe zu kommen versprochen; es sei
ja auch keine Schande, wenn sie Caesar, der in den Kämpfen um
Sizilien eine grosse Übung im Seekrieg gewonnen habe, die See
überliessen, schlimm wäre es vielmehr, wenn Antonius mit
seiner grossen Erfahrung in Kämpfen zu Lande von der Kraft und
der Kampfbereitschaft eines so grossen Landheeres keinen Gebrauch
mache, indem er diese Macht auf Schiffe verteile und verzettele. Indes
Kleopatra setzte es durch, dass der Krieg zur See entschieden werden
sollte, da sie schon nach Fluchtwegen Ausschau hielt und für
ihre Person nicht darauf bedacht war, wo sie für den Sieg von
Nutzen sein könnte, sondern von wo sie am leichtesten davonkommen
könne, wenn die Sache unglücklich ausliefe.
Es liefen lange Mauern vom Lager zur Flottenstation hinunter, durch
die Antonius zu gehen pflegte, ohne Böses zu ahnen. Als nun ein
Sklave Caesar verriet, dass es möglich wäre, ihn abzufangen,
wenn er diesen Verbindungsgang passierte, so schickte er Leute, um
ihm aufzulauern. Da diese jedoch zu früh aufsprangen, erreichten
sie nur so viel, dass sie den vor ihm hergehenden Mann schnappten;
er selbst konnte in schnellem Lauf mit Not entrinnen.
Nachdem der Beschluss gefasst war, eine Seeschlacht zu wagen, liess
er alle anderen Schiffe bis auf sechzig der Ägypter verbrennen,
die grössten und besten aber, vom Dreiruderer bis zum Zehnruderer,
bemannte er mit Ruderern und zwanzigtausend Mann schweren Fussvolks
und zweitausend Bogenschützen. Da soll einer der Kohortenführer,
ein Mann mit narbenbedecktem Leib, der schon viele Kämpfe im
Dienst des Antonius ausgefochten, als Antonius vorbeiging, aufgeweint
und gesagt haben : „Ach, Imperator, warum hast du kein Zutrauen
zu diesen Wunden und diesem Schwert und setzest deine Hoffnungen auf
schlechtes Holz ? Sollen doch die Ägypter und Phoinikier auf
der See kämpfen ! Uns gib Land, auf dem wir gewohnt sind, fest
zu stehen und entweder zu sterben oder die Feinde zu besiegen ! “Hierauf
gab Antonius keine Antwort, sondern winkte ihm nur mit Hand und Miene
ermunternd zu, er solle guten Mutes sein, und ging vorbei und war
in Wahrheit nicht sehr guter Hoffnung; so gab er den Steuerleuten,
welche die Segel an Land lassen wollten, strengen Befehl, sie mit
an Bord zu nehmen, mit der Begründung, man dürfe keinen
der Feinde flüchtig entkommen lassen.
An diesem und den drei folgenden Tagen machte das durch einen starken
Sturm wildbewegte Meer den Kampf unmöglich; am fünften Tage
aber, an dem Windstille herrschte und die See sich beruhigt hatte,
stiessen sie zusammen. Antonius und Poplicola führten den rechten
Flügel, Coelius den linken, und in der Mitte standen Marcus Octavius
und Marcus Insteius. Caesar hatte auf den linken Flügel Agrippa
gestellt und sich den rechten vorbehalten. Die Führer der Landheere,
Canidius auf Antonius’, Taurus auf Caesars Seite, hatten ihre
Truppen längs der Küste aufgestellt und verharrten in Ruhe.
Was die Oberbefehlshaber selbst angeht, so fuhr Antonius auf einem
Ruderboot überall herum, rief den Soldaten zu, sie könnten
bei der Schwere der Schiffe festen Fusses wie auf dem Lande kämpfen,
und den Steuerleuten befahl er, die Rammstösse der Feinde entgegenzunehmen,
wie wenn die Schiffe ruhig vor Anker lägen, dabei aber die Schwierigkeiten
des Gewässers in der Mündung zu beachten. Dem Caesar soll,
als er noch im Dunkeln von seinem Zelt im Bogen zu den Schiffen hinunterging,
ein Mann begegnet sein, der einen Esel trieb, und ihn, als er nach
seinem Namen fragte, erkannt und geantwortet haben: „Mein Name
ist Eutychos (‚Glücklich’), der des Esels Nikon (‚Sieger’).“
Als er daher später den Platz mit den erbeuteten Schiffsschnäbeln
schmückte, liess er auch die Statuen eines Esels und eines Mannes
in Bronze aufstellen.
Nachdem er die ganze Aufstellung besichtigt hatte und in einem kleinen
Fahrzeug zu seinem rechten Flügel fuhr, staunte er über
die Feinde, die unbeweglich in der engen Fahrstrasse lagen; denn es
sah aus, als ob die Schiffe vor Anker lägen; und da er lange
überzeugt war, dass es so wäre, so hielt er seine Schiffe
in einer Entfernung von etwa acht Stadien von den Feinden zurück.
Es war schon die sechste Stunde, da setzten die Leute des Antonius,
als sich ein Wind von der See her erhob, des langen Zögerns überdrüssig
im Vertrauen auf die Höhe und Grösse ihrer Schiffe, die
sie für unwiderstehlich hielten, ihren linken Flügel in
Bewegung. Als Caesar das bemerkte, freute er sich und liess seinen
rechten Flügel rückwärts rudern in der Absicht, die
Feinde aus dem Meerbusen und dem engen Fahrwasser noch weiter herauszuziehen,
um dann um sie herumzufahren und mit seinen leichtbeweglichen Fahrzeugen
ihre infolge ihrer Grösse und ungenügenden Bemannung langsamen
und schwerfälligen Schiffe anzugreifen.
Als endlich der Nahkampf begann, gab es keine Rammstösse und
keine Zertrümmerung von Schiffen, weil die Schiffe des Antonius
wegen ihrer Schwere keinen Schwung hatten, der vor allem die Rammstösse
wirksam macht, während die Caesarianer sich nicht nur hüteten,
frontal gegen feste und starke Erzpanzerungen anzurennen, sondern
auch nicht wagten, Rammstösse von der Seite her zu führen.
Denn die Rammsporne brachen leicht ab, wo sie an Schiffsbäuche
stiessen, die aus starken, vierkantigen, mit eisernen Klammern untereinander
verbundenen Balken gefügt waren. So glich der Kampf einer Landschlacht
oder, um es noch richtiger zu sagen, einem Festungskampf. Denn drei
oder vier Fahrzeuge Caesars hängten sich zusammen an eins des
Antonius, und man kämpfte mit Schilden, langen und kurzen Spiessen
und Feuerpfeilen; die Leute des Antonius schossen auch mit Katapulten
von hölzernen Türmen aus. Als darauf Agrippa den andern
Flügel ausdehnte, um den Feind zu umfassen, sah Poplicola sich
genötigt, dieser Bewegung zu folgen, und verlor so die Verbindung
mit dem Zentrum, das dadurch in Unordnung kam und zugleich mit Arruntius
in Kampf geriet. Doch war die Schlacht noch unentschieden und allenthalben
in vollem Gange, als man plötzlich die sechzig Schiffe der Kleopatra
die Segel zur Abfahrt hissen und mitten durch die Kämpfenden
hindurch davonfliehen sah; denn sie waren hinter den grossen Schiffen
aufgestellt und verursachten nun beim Durchfahren zwischen ihnen einige
Verwirrung; und die Gegner staunten bei dem Anblick, wie sie sie mit
gutem Wind Kurs auf die Peloponnes nehmen sahen.
Nunmehr bewies Antonius mit aller Deutlichkeit, dass er sich nicht
von den Überlegungen eines Führers noch eines Mannes noch
überhaupt seinen eigenen Überlegungen leiten liess, sondern
– wie jemand scherzend gesagt hat, dass die Seele des Liebenden
im Körper eines anderen lebe – dass er von der Frau mitgezogen
wurde, als ob er mit ihr zusammengewachsen wäre und allen ihren
Bewegungen folgen müsste. Denn kaum hatte er ihr Schiff davonfahren
sehen, als er alles andere vergass, diejenigen im Stich liess, die
für ihn kämpften und starben, in einen Fünfruderer
überstieg, nur von dem Syrer Alexus und von Scellius begleitet,
und hinter der Frau herfuhr, die sich schon ins Verderben gestürzt
hatte und ihn nun mit hineinreissen sollte.
Sobald Kleopatra ihn erkannte, liess sie von ihrem Schiff aus ein
Signal geben. Er liess sich heranfahren und wurde an Bord genommen,
sah aber sie nicht, noch liess er sich sehen, sondern ging allein
aufs Vorderschiff und sass dort in sich gekehrt und schweigend und
hielt sich den Kopf mit beiden Händen. Mittlerweile kamen liburnische
Schnellboote in Sicht, die von Caesar zur Verfolgung ausgesandt waren.
Antonius liess das Schiff gegen sie wenden und trieb so die anderen
zurück, nur der Lakone Eurykles drang trotzig gegen ihn vor,
während er auf dem Verdeck eine Lanze schwenkte, als wollte er
sie auf ihn schleudern. Als Antonius auf das Vorderschiff trat und
fragte: „Wer ist das, der Antonius verfolgt?“, antwortete
er: „Ich, Eurykles, Sohn des Lachares, der nun dank Caesars Glück
den Tod seines Vaters rächen wird!“ Lachares war nämlich
von Antonius wegen Raubes vor Gericht gestellt und hingerichtet worden.
Doch führte Eurykles seinen Angriff nicht gegen das Schiff des
Antonius, sondern gegen das andere Admiralsschiff – es waren
nämlich zwei –, beraubte es durch einen Rammstoss der Manövrierfähigkeit,
fasste es von der Seite und eroberte es, und ebenso noch eins von
den anderen Schiffen, in dem sich kostbares Tischgerät befand.
Nachdem Eurykles sich entfernt hatte, nahm Antonius wieder dieselbe
Stellung ein und verhielt sich ruhig, und nachdem er drei Tage ganz
für sich auf dem Vorschiff verbracht hatte, sei es aus Zorn,
sei es aus einem Gefühl der Scham ihr gegenüber, liess er
bei Tainaron anlegen. Hier brachten sie die vertrauten Frauen zuerst
zu einem Gespräch miteinander und beredeten sie dann auch, Tisch
und Bett zu teilen.
Jetzt sammelten sich auch nicht wenige Frachtschiffe und einige Freunde
von der Flucht her bei ihnen und meldeten, die Flotte sei verloren,
sie glaubten aber, dass das Landheer noch zusammenhielte. Antonius
schickte daher Boten an Canidius mit dem Befehl, mit dem Heer schleunigst
den Rückzug durch Makedonien nach Kleinasien anzutreten. Er selbst
schickte sich an, von Tainaron nach Afrika überzusetzen, suchte
ein Frachtschiff aus, das viel Geld und sehr wertvolle silberne und
goldene Gerätschaften aus dem königlichen Besitz geladen
hatte, und schenkte es den Freunden gemeinsam mit der Aufforderung,
es unter sich zu teilen und auf ihre Rettung bedacht zu sein. Da sie
sich weigerten und weinten, redete er ihnen sehr gütig und freundlich
zu und drängte sie zu gehen, schrieb auch an seinen Vermögensverwalter
in Korinth, Theophilos, er solle den Männern Sicherheit verschaffen
und sie verbergen, bis sie zur Aussöhnung mit Caesar kommen könnten.
Dieser Theophilos war der Vater des Hipparchos, der die stärkste
Stellung bei Antonius hatte, dann aber als erster von seinen Freigelassenen
zu Caesar überging und später in Korinth gewohnt hat."