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Technisches Wissen und Kultur von Armeeangehörigen
Erläuterungen zum Grabgedicht des Priscus
Die runde Grabstele ist in Dorf Sipahiler gefunden worden, das zum
Territorium der antiken Stadt Kaisareia/Hadrianopolis gehörte.
Priscus, der Soldat und Standartenträger aus Kaisarea in Paphlagonien,
der zu Beginn des 2. Jh. lebte, verfasste sein Grabgedicht in feierlichen
Hexametern, im Versmass des Epos von Homer. Auch die Wortwahl ist
von der homerischen Sprache beeinflusst und zeigt, dass Priscus die
Werke des berühm-testen griechischen Dichters, der ungefähr
800 Jahre vor ihm lebte (!), in der Schule gelesen und auswendig gelernt
hatte. Priscus vergleicht sich mit den berühmten Helden Homers,
mit Achill und Hektor. Im zweiten Teil des Gedichtes, in welchem er
sein Zivilleben als Grundbesitzer darstellt, greift er auf den berühmten
Dichter Hesiod (Ende des 8./ Anfang des 7. Jh. v. Chr.) zurück,
der in den "Werken und Tagen" in epischen Versen das harte,
aber rechtschaffene Leben der Bauern geschildert hat.
Die militärische und zivile Karriere des Priscus wird aus den
Versen ersichtlich : Priscus aus Paphlagonien trat zur Zeit Trajans
in die Armee ein; diese Datierung ergibt sich aus der Tatsache, dass
nur für den Partherkrieg Trajans (114-117) Soldaten für
Auxiliarkohorten aus dieser Gegend des Reiches ausgehoben wurden (cohortes
prima, secunda und tertia Paphlagonum). Priscus wurde zum
Standartenträger befördert, offenbar weil er ein schöner,
grosser Mann war und Kaiser Trajan (bei einer Truppeninspektion ?)
auffiel. Vermutlich wurde Priscus vexillarius, das vexillum
scheint mit einer Siegesstatuette gechmückt gewesen zu sein.
Dann zeichnete Priscus sich in den Kämpfen aus und erhielt vom
Kaiser Orden, gemäss seinem Rang wohl torques (vgl. Tafel
3.2). Er wurde ehrenvoll entlassen und kehrte als römischer Bürger
und mit Erspartem in seine Heimat zurück, wo er nun als Gutbesitzer
sein Land von abhängigen Bauern bestellen liess.
Das Gedicht ist ein einzigartiges Beispiel der kulturellen Koexistenz
der griechischen und römischen Welt im römischen Kaiserreich
: Priscus besingt in homerischen Versen seine Karriere als Auxiliarsoldat
in der römischen Armee. Zugleich ist das Gedicht ein klares Zeugnis
für den Bildungsstand der Soldaten in der Mitte des 2. Jh.