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Die Armee als Romanisierungsfaktor und der Stellenwert der Kultur
Einführung in die Problemstellung
In dieser Tafel werden unter dem Stichwort Romanisierung zwei Problemkreise
angeschnitten : zuerst geht es um die Rolle der Armee als Vehikel
der rechtlichen und kulturellen Romanisierung der peregrinen Bevölkerung,
die anhand der Militärdiplome greifbar wird, dann um die Religion
des Heeres, die teils offiziell teils privat von den Soldaten und
Offizieren ausgeübt wurde.
Die Aufnahme in das römische Bürgerrecht : Die peregrinen
Soldaten, die als Auxiliarsoldaten in den Alen und Kohorten, in den
Flotten und als Gardereiter dienten, erhielten am Ende ihrer Dienstzeit
bei ehrenvoller Entlassung das römische Bürgerrecht sowie
das Recht, eine römisch-rechtlich gültige Ehe zu führen,
was bedeutete, dass die bereits geborenen Kinder (die zukünftigen
Kinder ohnehin) römische Bürger wurden; das Bürgerrecht
erstreckte sich jedoch nicht auf ihre peregrine Ehefrau. Diese Soldaten
hatten einen grossen Teil ihres Lebens (mindestens 25 Dienstjahre)
in der Armee verbracht, wo die Kommandosprache Latein war, wo Latein
also gesprochen, aber auch geschrieben wurde, wo die Kultur in allen
Ausprägungen (Essen, Lebensweise, Unterhaltung, Religion) römisch
war.
Die Religion des Heeres : Was die Religion des Heeres betrifft,
so können wir verschiedene Bereiche unterscheiden : den offiziellen,
der im Festkalender von Dura Europos ersichtlich wird und einen privaten,
der in den zahlreichen, von Armeeangehörigen gesetzten Weihungen
zum Ausdruck kommt. Im offiziellen, vom ganzen Heer als Gesamtheit
ausgeübten Kult standen die römischen Staatsgötter
und der Kaiserkult an erster Stelle. Wie dies der Festkalender des
frühen dritten Jahrhunderts zeigt, war der Kaiserkult mit seinen
vielen Geburtstags- und Konsekrationsfesten aller divinisierten Kaiser
und Kaiserfrauen des ersten und zweiten Jahrhunderts am wichtigsten.
Dadurch wurden alle Armeeangehörigen, insbesondere die pergerinen
Soldaten der Auxilien in ihrem religiösen Ausdruck romanisiert.
Daneben stand aber die private Religionsausübung der Soldaten,
Unteroffiziere und Offiziere, die weiterhin die einheimischen Götter
oder Götter, die sie auf den Feldzügen kennenlernten, verehrten.
Solange der offizielle Kult der römischen Staatsgötter sowie
der regierenden und divinisierten Kaiser und der Kaiserfrauen gepflegt
wurde, hatte die römische Heeresführung keine Einwände
gegenüber anderen Götterkulten. So sind die orientalischen
Götter, insbesondere der Mithras-Kult, durch das Heer verbreitet
worden; deshalb wurden aber auch die Christen und die christlichen
Soldaten im Heer verfolgt, da sie die Loyalitätsbezeugungen gegenüber
dem römischen Kaiser und gegegnüber den Divi und den Divae
ablehnten (siehe etwa Tertullian, Über den Kranz, I, 1–2).
Zusammengefasst kann man sagen, dass die Armee in verschiedener Hinsicht
einen wesentlichen Beitrag zur Romanisierung leistete.