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Asketische Forderungen bei Hieronymus
Kontakte zu römischen Adelskreisen
Bereits in seinen Studientagen in Rom nahm Hieronymus die Gelegenheit
wahr, Kontakte zu einflussreichen Personen aufzubauen. Als Sohn eines
reichen Grundbesitzers aus Stridon war es ihm möglich, eine römische
Ausbildung und damit eine gute Grundlage für eine erfolgreiche
Laufbahn zu erhalten. Oft war die traditionelle Ausbildung in Grammatik
und Rhetorik der Ausgangspunkt junger Intellektueller aus der kurialen
Führungsschicht für eine Karriere in der Verwaltung des
römischen Reiches. Während seines ersten Romaufenthaltes
entstand die Freundschaft mit Pammachius, einem später
führenden Senator, sowie die Bekanntschaft mit Melania
der Älteren.
In den darauf folgenden Wander- und Eremitenjahren entwickelte Hieronymus
ein ausgeprägtes asketisches Ideal und kehrte schliesslich nach
Rom zurück, wo er sich Bischof Damasus durch
seine theologische und sprachliche Kompetenz als Sekretär verpflichten
konnte. Er übersetzte mit grossem Erfolg einige Schriften des
Origenes aus dem Griechischen ins Lateinische und revidierte den Text
der vier Evangelien nach dem griechischen Original. Wie Hieronymus
in einem seiner Briefe an die christliche Adelige Asella durchschimmern
lässt, waren seine Pläne in Rom nicht wenig ambitiös:
"Fast allgemein hielt man mich des höchsten geistlichen
Amtes würdig. Der selige Papst Damasus tat nichts ohne mich.
Man pries mich als heilig, demütig und redegewandt." (Hier.
Ep. 45.3)
Ausser seiner Freundschaft mit Damasus und Pammachius verfügte
Hieronymus in Rom kaum über engere Kontakte zu einflussreichen
Männern. Offenbar mied er vorerst auch die Gesellschaft von Frauen,
liess sich jedoch als Lehrer gewinnen, als ein Zirkel gebildeter
Damen der nobelsten Familien Roms jemanden zur biblischen
Unterweisung suchte. Diese Frauengesellschaft traf sich jeweils in
einer Villa auf dem Aventin und befand sich unter der Leitung von
Albina und ihrer Tochter Marcella, die den Ceionii, einer der wichtigsten
adeligen Familien Roms, entstammte. Im bereits oben zitierten Brief
an Asella beschrieb Hieronymus seinen Lehrdienst in kurzen Worten:
"Beinahe drei Jahre habe ich mit ihnen zusammen gelebt. Gar manches
Mal hat sich eine grössere Anzahl von Jungfrauen um mich versammelt.
Des öfteren erklärte ich einigen aus ihnen, so gut ich es
vermochte, die göttlichen Bücher." (Hier. Ep. 45.3).
Als dann im Jahre 384 der dem asketischen Kreis wohlgesinnte Damasus
starb, verlor Hieronymus seinen stärksten Beschützer in
Rom. Nicht er, sondern Siricius, ein Kritiker der asketischen Bewegung,
wurde zum römischen Bischof erkoren. Hieronymus' Feinde gewannen
schliesslich Oberhand und der römische Klerus, von Hieronymus
verächtlich als senatus Pharisaeorum betitelt, forderte
ihn auf, Rom zu verlassen. Mit Paula und deren Tochter, zwei seiner
gelehrigsten Schülerinnen, reiste er nach Jerusalem und nach
Ägypten und liess sich schliesslich in Bethlehem nieder. Mit
dem Vermögen der wohlhabenden Paula gründeten sie ein Männer-
und ein Frauenkloster.
In diesem zweiten, ruhigeren Abschnitt seines Lebens entstand ein
imposantes Oeuvre an Bibelübersetzungen, Exegesen und Korrespondenz.
Die unfreiwillige Abreise aus Rom bedeutete jedoch keinen radikalen
Bruch mit der Welt, wie die zahlreichen Briefe nach Rom und anderen
Orten bezeugen. Vor allem zu seinem asketischen Zirkel in Rom und
zu Gönnern und Freunden wie Pammachius hielt er die Beziehungen
aufrecht. Hieronymus war in allen Künsten der Rhetorik wohlbewandert
und machte von der traditionellen Bildung und seiner umfangreichen
Kenntnis der heiligen Schrift sowohl in den eher familiären als
auch in den asketischen, didaktischen, exegetischen und apologetischen
Schreiben reichlich Gebrauch. Wie Hieronymus in einem Brief an Pammachius
lebhaft darstellt, ist für ihn die Verwendung von Vergil, Plato,
Horaz und anderen Autoren gerechtfertigt, solange es zu Christus als
Ziel hinführt.