-
Perseus: dictionnaire et outil de recherche d'archéologie
Module >
Heidnischer und christlicher Senatsadel in spätrömischer Zeit >
Der Senatsadel Roms und seine Besonderheiten
Otium, Bildung und Tugenden
Senatoren
begnügten sich nicht mit Karrieren allein. Immer wieder zogen
sie sich auf ihre Wohnsitze zurück. Selbst wenn jemand ehrgeizig
eine Vielzahl von senatorischen Ämtern bekleidete, nahmen diese
in der Regel nur wenige Lebensjahre in Anspruch, da die meisten öffentlichen
Ämter jährlich neu besetzt wurden. Wie also die Zeit der
Musse (otium) standesgerecht zu gestalten war, stellte für
die nobilitas eine wichtige Frage dar. Während sich
Vergnügen wie die Jagd, genüssliches Tafeln, Segeln, Pferderennen,
Zirkusspiele und Reisen noch im Rahmen des Annehmbaren bewegten, zog
ein allzu ausschweifender Lebensstil zum Teil heftige Verachtung und
Kritik der Zeitgenossen auf sich.
Eine der angesehensten Formen von otium war die Pflege der
Bildung; sei es das Studium der Literatur oder sogar das Verfassen
eigener Gedichte, sei es die Philosophie oder die Rhetorik. Bildung
und sprachliche Ausdrucksfähigkeit verliehen Ansehen und wirkten
verstärkend auf die politische Durchsetzungskraft. Sie waren
zudem unabdingbar bei der wichtigen Pflege von freundschaftlichen
Beziehungen unter seinesgleichen. Durch Briefkontakte und Freundschaftsbesuche
war man bemüht, innerständische Akzeptanz zu erhalten und
zu bewahren.
Weitere Anforderungen, welche die Senatsadligen - zumindest theoretisch
- zu erfüllen hatten, zeigen sich in spezifischen Tugendkatalogen.
So schätzte man Beredsamkeit oder Reichtum, aber auch Bescheidenheit,
einen guten Charakter und positives Verhalten einer Person. Zu den
lobenswerten Eigenschaften, die oft im Zusammenhang mit einem Amt
genannt wurden, gehören Gerechtigkeit, Redlichkeit, Selbstbeherrschung
sowie Weisheit und Mut. Als Tugenden im privaten Bereich galten Freundschaft
und Grosszügigkeit. In der Adelskritik sowie im Adelslob wurde
oft das Tugendvorbild der Vorfahren als Richtschnur des sozialen Handelns
genommen.
Mit dem Christentum änderten sich diese Tugendkataloge allmählich.
Dem Ideal der Nachahmung der Vorfahren (imitatio maiorum)
wurde die Nachahmung des exemplum Christi als das noch höhere
Gut aufgesetzt. In christlichen Grabinschriften verschwanden die traditionellen
Tugenden zugunsten zentraler christlicher Wertbegriffe wie sapientia,
prudentia, sinceritas, innocentia, verecundia, castitas, pudicitia,
bonitas und benignitas.
Bibliographie
Zur Gestaltung der Musse des Senatsadels
• Salzmann
Michel Renee, The Making of a Christian Aristocracy. Social and
Religious Change in the Western Roman Empire, Cambridge (MA)
2002, S. 44ff.
Zur Rolle des Briefkontakts zwischen Senatsadligen
• Fuhrmann Manfred, Rom in der Spätantike, Zürich
1994, S. 261-271.
Zur Veränderung der Tugend- und Werteideale in den Grabinschriften
• Niquet Heike, Monumenta virtutum titulique. Senatorische
Selbstdarstellung im spätantiken Rom im Spiegel der epigraphischen
Denkmäler, Stuttgart 2000, S. 166f.